Das 1. Mal in meinem Leben gehe ich ALLEINE auf Reisen... einfach weil ICH das so will.
Euch, die ihr schon in Nord Indien 2018 virtuell mit dabei ward, ebenso wie ein paar neue Freunde und Bekannte, nehme ich gerne mit auf meine kleine Rundreise durch Süd-Spanien, Land des Flamencos und benachbartes Festland meiner Wahlheimat Mallorca.
Sevilla
Der Flug mit Vueling Airlines ist angenehm. Ich sehe mir einen NETFLIX Film auf dem Handy an und die Zeit vergeht „wie im Flug“ ✈️ ein Blick aus dem Fenster verrät mir, wir überfliegen die Sierra Nevada, denn nur hier kann es so hoch sein , dass Schnee liegt. Es sieht fast ein bisschen wie die Alpen von oben aus.
Ich lande sanft, Mietwagen holen läuft problemlos - ein kleiner schicker Fiat 500 mit Sonnendach erwartet mich - Andalucia, ich komme!
Ich habe nur für die 1. Nacht ein AirBnB gebucht, das Parkplätze offeriert, denn die sind in Sevilla Mangelware. Das AirBnB finde ich problemlos dank meines iPhones (ohne das ich hoffnungslos verloren wäre). Und JUST in diesem Moment, in dem ich vor der Tür stehe, kackt das Teil ab… SCHOCK! Natürlich habe ich NICHT irgendeine Adresse auf Papier geschrieben 😖
Ich klingle und ein Fenster geht auf. „Hola?“ ruft jemand aus dem 2. Stock. Es ist Nori, die AirBnB Chica 😅 Uffff, Glück gehabt. Ich checke ein, mein Iphone erholt sich und nimmt seinen Dienst wieder auf. Ich lasse mir von Nori „nur für den Notfall“, also falls mein Smartphone mir seinen Dienst erneut versagt, die Adresse auf ein Stück Papier schreiben.
Das AirBnB ist - sagen wir - zweckmäßig, tip top sauber aber seeehr einfach Das Pärchen spricht mit mir spanisch, miteinander aber arabisch. Das Bad hat ein geöffnetes Fenster zur… KÜCHE (???) und ich schließe es diskret, während die beiden ihr Abendessen bruzeln. Egal, ich will ja hier nur schlafen. Ich begebe mich auf Schusters Rappen in Richtung Zentrum, bis ich die richtige Bushaltestelle erreiche. Spanier lieben es, sich in Reihe anzustellen! In Deutschland stehen die Leute wie eine Herde Schafe 🐑🐏🐑 verstreut an einer Bushaltestelle. Die Spanier stellen sich direkt ordentlich pärchenweise in Reih und Glied, obwohl noch gar kein Bus zu sehen ist! Amüsiert tue ich es ihnen gleich und lasse mich bequem per Autobus in die Altstadt befördern.
Ich laufe kreuz und quer durch Sevilla, esse ein paar Tapas, dazu ein Glas Weißwein, passiere die Kathedrale, sehe zig Shops mit Flamenco Kleidern, bemerke wunderschöne alte Architektur und werde dabei langsam fußlahm. Mein Fitness Armband beglückwünscht mich zu 12265 Schritten und meine Füße verfluchen mich. Ich verhandle diplomatisch mit den beiden und entscheide mich, ein UBER zu bestellen. Genug für heute… Gute Wahl! Jose ist 5 Minuten später da und bringt mich zu meinem AirBnB.
Buenos días, Córdoba!
Mein Rücken empfiehlt mir gegen 7:00 Uhr die Nacht in diesem Bett zu beenden 😖
Ich folge dem Rat und sitze um halb acht im Auto.
Aus Sevilla rauszukommen während der morgendlichen Rush Hour entpuppt sich als Challenge. Ich verpasse ob des dichten Verkehrs einige Abbiegungen. Endlich bin ich auf der Schnellstraße Richtung Cordoba. Nach circa 50 km merke ich, dass die morgendliche Dosis Koffein fehlt und beschließe an einer Raststätte zu halten. Ein Napolitano con Chocolate und ein Café con leche helfen mir auf die Füße 🥐☕️ Frisch gedoped erreiche ich 1 Stunde später Cordoba.
Ich buche mein Airbnb für heute Nacht, das im Zentrum der historischen Altstadt liegt. Dort hinein zu gelangen zeigt sich als schwierig bis unmöglich. Dann erreicht mich die Nachricht von Carola, meinem Airbnb Host, die mir einen geheimen Parkplatz in der Nähe empfiehlt. Ich stoße auf die mir von Mallorca bekannten “Parkplatzanweiser“. Es sind meines Erachtens Roma oder Sinti, die Leuten durch unübersehbares Winken freie Parkplätze zeigen und dafür gerne ein kleines Entgelt nehmen. Der Deal ist gerecht, denn der Namensgeber eines Schnitzels mit Paprika-Tomaten-Sauce (wie dämlich finde ich das eigentlich, dass sowas Leckeres rassistisch sein soll 🙄) spart mir knapp 20€ Parkgebühr und kriegt 1€ von mir.
Ich ziehe meinen Trolley samt Laptop Tasche durch die engen Gassen von Cordoba und bin 700 m später an meiner Unterkunft. Carola, eine ältere deutsche Dame, die seit 30 Jahren in Andalusien lebt, begrüßt mich herzlich und gibt mir eine kurze Führung durch das Haus. Es ist ein wunderschönes, uraltes Gemäuer aus dem zwölften Jahrhundert mit einem dafür typischen Innenhof.
Mittlerweile ist es Mittag, ich wechsle noch schnell die schönen Schuhe 👠 gegen bequeme 👟 und begebe mich ins Getümmel. Die Gärten des Alcázar, dem christlichen Königspalast, sind Objekt meiner Begierde. Ich erklimme einen der Türme der anreinenden Festung, mein Ehrgeiz kämpft gegen meine Höhenangst und gewinnt! ✌️
Die Sonne Andalusiens ☀️ ist völlig anders als auf Mallorca und ich bin froh, Sonnenschutz dabei zu haben... Anfang FEBRUAR 😳 Das merke ich mir, sollte ich mal wieder frieren im winterlichen Mallorca!
Die Menschen hier haben einen sehr aufrechten Gang. Sie achten sehr auf ihr äußeres Erscheinungsbild. Man empfindet Stolz und Würde, aber keine Eitelkeit, wenn man ihnen begegnet. Ich trinke einen Café con leche in einem sehr einladenden Restaurant und die Patrona überschlägt sich vor Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, obwohl ich schon bezahlt habe (1,80€!!!) und zeigt mir draussen, wo ich die Patios von Córdoba, wunderschöne Innenhöfe und Weltkulturerbe, finde.
Die Hausherrin eines dieser Patios fragt, ob jeder der Anwesenden spanisch spricht - ich bejahe ebenso wie die anderen. Dann pfeift mir ein maschinengewehrartiges Wortgeschwader in feinstem Andalusisch um die Ohren und ich verstehe weitaus weniger als erwartet 🤯 Zwei der Patios gebe ich mir und finde, sie werden ihrem Ruf nicht gerecht. Zwar ganz nett, aber sooo toll nun auch wieder nicht.
Weit interessanter sind die ältesten Stallungen Europas der königlichen Pferde. Ein Bereiter in voller Montur spricht mich an und erklärt mir einiges. Ich stelle fest, dass er nicht minder schön anzusehen ist als sein Pferd. Ein tolles Paar, die beiden 🤩 Ich sehe mir das Training der Andalusischen Pferde an und bin hin und weg von der Schönheit und Anmut dieser Tiere 🦄
Langsam schlendere ich Richtung Unterkunft - auch heute bin ich wieder mit über 12000 Schritten 👣 dabei - und inhaliere diese Stadt. Cordoba beeindruckt mich! Jede Tür scheint geöffnet und gibt den Blick frei auf liebevoll gestaltete Dinge, gut gesichert hinter filigranen Eisentüren. Imposante Bauwerke alter Kulturen, arabische und spanische Elemente, die sich ergänzen und in Summe perfekt harmonieren. Alles ist sauber und gepflegt. Jeder Architektur-Liebhaber kommt hier voll auf seine Kosten. Die Pflasterarbeiten sind einzigartig und jede ein Kunstwerk für sich! Es sind hochkant im Zement versenkte ovale Kieselsteine, die Ornamente und Bilder auf den Boden „malen“. Belustigt stelle ich mir vor, dass mein Vater es garantiert als „Kunschtvollschtes und schönschtes Kopfschteinpflaschter ganz Schpaniens“ bezeichnen würde und er hätte nicht mal einen Knoten in der Zunge 😄
Córdoba, du hast einen Fan mehr!
Granada, ich komme!
Teil 1
Nebel liegt über der Mezquita. Diese ehemalige Moschee, die heute eine römisch-katholische Kathedrale ist, steht heute morgen noch auf der To do Liste. Die Nacht ist wieder vor dem Wecker um. Um 8:00 Uhr checke ich aus und bringe die Sachen ins Auto. Ich laufe über die römische Brücke dieser Monsterkirche entgegen. Der Größenvergleich mit dem Westminster Abbey, das ich 2003 zusammen mit meinem Vater nach dreimaligem Anlauf endlich besucht habe, ergibt, dass dieses Wahrzeichen Córdobas fast 10 mal so groß ist!!! Ich habe ja Dank meiner Eltern weiß Gott (der MUSS es wissen 😂) schon viele Kirchen gesehen, aber eine solch riesige noch nie! Das Bauwerk gehört mit ca. 23.000 m² zu den größten ehemaligen Moscheebauten weltweit und haut mich schlichtweg um.
Der Heiligenschein fällt von mir ab, als ich die Kirche verlasse 😇 und eine kurze Befragung bei Tante Google verrät mir, dass die „Route des Kalifen“ nach Granada weit interessanter ist als die Autobahn. Ich springe in meine „Kleiner Muck“ Hose und lasse Córdoba hinter mir. Die Landschaft ist platt und wie ausgestorben. Einige verlassenen Tankstellen verraten mir, dass die besagte hohe Arbeitslosigkeit Südspaniens sich wohl auf die ländlichen Gebiete beziehen muss. Auf gleich 3 Hochspannungsmasten sehe ich Störche brüten! Curt röhrt aus dem Radio „Come as you are“. Ich höre über Spotify meine Playlist, die nur von Navi-Anweisungen ab und an unterbrochen wird und bin wie so oft heilfroh, dass ich ein Kind der 67er bin und all diese Technik mir zu Nutze machen kann.
Je näher ich Granada komme, desto bergiger wird das Land. Granada selbst ist eine einzige Berg- und Talfahrt. Mein AirBnB, das ich gestern Abend noch gebucht habe, verspricht ein „Hippie Haus für besondere Leute“ zu sein. Ha, der kann nur mich meinen, denke ich erfreut und schlage zu! Der Host ist erst nachmittag zugegen. Macht nix, ich wollte mir eh erst die Alhambra geben. Ich hatte sie mir groß vorgestellt, aber nicht SO GROSS… Am Ticketschalter verrät man uns, dass für heute keine Tickets mehr ausgegeben werden - AUSVERKAUFT, kein weiterer Einlass möglich! Neben mir stehen Japaner, Südamerikaner, Amerikaner, Spanier und… ein deutsches älteres Ehepaar. Jeder trägt die Nachricht mit Fassung, wenn auch not amused, aber der Deutsche brüllt die Kassiererin an, wie sie sich das jetzt vorstellt, denn er habe nun den ganzen Weg umsonst gemacht. Jaaa, denke ich, wir anderen wurden auch nicht von Scottie hergebeamt! Helmut, der offenbar eh schon Hypertoniker ist, nimmt eine puterrote Gesichtsfarbe an und gibt seiner wortlosen Frau die Schuld. Sein halsloser Kopf wird immer dicker und ich erwarte, dass ihm gleich Keilerzähne aus dem Kiefer wachsen 🐗 und aus seinen Ohren weiße Dampfwölkchen pfeifen 💨. Der zu erwartende Herzinfarkt bleibt aus, ich schäme mich fremd, gebe mich nicht als Deutsche zu erkennen und kaufe eben ein Ticket für die Gärten der Alhambra und des Alcazar.
Teil 2
Beeindruckt vom Ausmass dieser Festung (13 Hektar!!!) und der Schönheit der maurischen Baukultur, die ich wenigstens von außen bestaunen kann, beschließe ich, nun mein Zimmer aufzusuchen. Ich fahre erneut Berg und Tal und finde endlich einen Parkplatz. Bepackt mit Trolley und 2 Taschen finde ich die Adresse. Direkt davor scheint eine Kneipe zu sein. Sieht lustig aus 🥳 Ich bahne mir den Weg durch feiernde Menschen. Ich betrete einen Hauseingang und stehe im Dunkeln. Lichtschalter - ohne Funktion. Ich nehme mein Handy zwischen die Zähne und leuchte mir den Weg, denn die Hände hab ich ja voller Taschen. Die Treppe ist baufällig. Ich bin sicher, den falschen Eingang erwischt zu haben. Ich kehre um und frage den Wirt nach dem Namen des AirBnB Hosts. Er bestätigt mir, dass die beiden Chicos hier wohnen. 1. Stock, einfach klopfen… ok, ich steige die baufällige Treppe ein 2. Mal hinauf und stehe vor einer Tür. Mich beschleicht ein Gefühl, dass man hier unter HIPPIE womöglich ganz was anderes versteht als die Edel-Hippies, die ich von Ibiza kenne…
Eine junge Spanierin mit langen Rastas öffnet die Tür. Sie hält einen Joint in der Hand und sieht mich lächelnd an 🧞♀️🦄🌈 Marihuana Geruch steigt mir in die Nase. Sie nimmt einen Zug und fragt, wie sie mir helfen könne. Ich ringe nach Fassung und Worten 🤯 und erkläre ihr, dass ich hier ein Zimmer gebucht habe. Sie erklärt mir völlig breit, dass die beiden Hosts grade nicht da sind und sie hier auch nur für ein paar Tage wohnt, aber alles „no problema“ 🤩 Sie winkt mich herein, ich solle ihr folgen. Einer dieser unfassbar hässlichen, schafskopfähnlichen Kampfhunde begrüßt mich schwanzwedelnd. Ich denke nur, warum passiert eigentlich immer MIR sowas??? Die Chica zeigt mir das Zimmer - ich traue meinen Augen nicht…… Bilder sagen an dieser Stelle mehr als Worte.
Ich verlasse die Wohnung und setze mich ins übernächste Restaurant. Der Ober sieht mir an, dass die Frage, was ich bestellen möchte, mich grade völlig überfordert. Ich zeige ihm anstatt dessen die Fotos von der „Hippie“ Wohnung der zwei Chicos. Ah, DIE beiden - ja, er kennt sie. Die beiden kommen aus Peru und werfen alles mögliche ein - nicht der beste Platz zum schlafen… ach echt? ☠️💊💉🧪🌡
Der Ober bietet mir seine Hilfe an. Ich unterdess telefoniere mit AirBnB, die beim Codewort DROGEN mich sofort an eine Emergency Abteilung weiterleiten. Mir werden umgehend 4 andere Unterkünfte angeboten und der bereits bezahlte Betrag für das „Hippie Haus“ komplett erstattet. Derweilen kommt der Ober und hat mir in der direkten Nachbarschaft eine Suite besorgt. Ich nehme dankend an, erkläre AirBnB, dass die anderen Unterkünfte viel weiter weg wären und sie entschuldigen sich nochmals mit einem weiteren Gutschein von 50€ für eine Übernachtung.
Monica hat ein hübsches Haus 2 Minuten entfernt; sie zeigt mir die geheizte Suite mit Bad und Küche, Frühstück gibts auf der Dachterrasse. Parkplatz ist direkt in der Garage ihres Hauses. Sie läuft mit mir zum öffentlichen schweineteuren Parkplatz und wir holen mein Auto dort weg. Ihr Haus liegt mitten in der Altstadt und ich muss die Spiegel des eh schon winzigen FIAT 500 einklappen, dass ich durch die Gassen passe. Wie soll ich morgen hier bloß wieder raus kommen? Monica umarmt mich und drückt mir ihre Nummer in die Hand, ich soll sie morgen einfach anrufen. Sie wird mir beim rausfahren helfen.
Erschöpft und völlig erledigt liege ich endlich auf einem super bequemen, sauberen Bett - ICH LIEBE ES ZU REISEN! ❤️
Ronda
Die Nacht war ruhig und super erholsam. Das Frühstück steht zum selber anrichten auf der Dachterrasse parat. Ein Japaner gesellt sich zu mir und ist mir dankbar für den Tipp, das Ticket für die Alhambra lieber jetzt gleich online zu buchen.
Wie versprochen schickt Monica ihren Mann, der mich aus der Garage und dem Altstadt Labyrinth rauslotst. On the road again... ich fahre durchs Teletubby Land (ich schwöre, die wohnen hier!) und hänge meinen Gedanken nach. Die Landschaft ist hügelig bis bergig und die Erde rot. Man sieht dem Boden die immer wieder kehrende Dürre im Sommer bei bis zu 50 Grad Celsius an. Mittags erreiche ich Ronda.
Das heutige Hostel ist bunt und glitzernd, wirklich hübsch! Der arabische Teil Spaniens hat es mir optisch echt angetan. Ich stehe vor 5 (!!!) Schlüsselsafes, wovon 4 die Buchstaben A, B, C und D tragen, identisch mit der Bezeichnung des Zimmers, und folge den idiotensicheren Anweisungen, die ich per WhatsApp erhalten habe. Wohlgemerkt IDIOTENsicher, nicht aber klar genug für ENGLÄNDER 🤓🇬🇧
In ihrer Beschreibung, die er mir unter die Nase hält, steht, sie sollen den Schlüsselsafe, der KEINEN Buchstaben trägt, mit der ihnen mitgeteilten PIN öffnen. Sie haben aber Zimmer Nummer E und suchen verzweifelt nach ihrem Safe 😂. Ich tippe mit dem Finger auf den richtigen Safe. Der Brite gibt die PIN ein und… wartet offenbar auf ein Wunder. Bevor er auf die Knie fallen kann um die „Sesam, öffne Dich“ Nummer abzuziehen, verhelfe ich ihm zu seinem Schlüssel, öffne ihm den Schlüsselkasten und checke selbst ebenfalls ein.
Der Koffer fliegt aufs Bett, ich mach mich frisch und begebe mich auf Erkundungstour.
Ronda liegt 739 Meter hoch und besitzt eine atemberaubende Lage oberhalb einer tiefen Schlucht. Diese Schlucht (El Tajo) teilt die Neustadt, die ungefähr aus dem 15. Jahrhundert stammt, von der Altstadt aus der Zeit der maurischen Herrschaft. Die Puente Nuevo, eine Steinbrücke über der Schlucht, bietet gigantische Aussichtspunkte. Der Blick in die Schlucht hat beinahe etwas Unwirkliches. Ein paar Nebelschwaden und man könnte die Orks förmlich grunzen hören.
Ich genieße die Aussicht und die Sonne. Gen Abend knurrt mein Magen, der außer dem Frühstück heute noch nichts zu tun bekommen hat. Ich suche mir ein Restaurant aus und bald sitzt eine ältere Australierin neben mir. Sie redet ohne Punkt und Komma und ich merke, dass ich Gesellschaft im Moment so GAR nicht vermisse….
Ein entspannter Tag heute, den hab ich gebraucht.
Schlumpfhausen, Gibraltar und seine Inselaffen
Entspannt mache ich mich auf den Weg gen Süden, bis es südlicher nicht mehr geht. Die Berge vor Gibraltar ziehen sich ohne Ende und ich passiere viele weiße Dörfer, bis ich plötzlich in Schlumpfhausen stehe! Kater Azrael läuft mir fast vors Auto… Das nur rund 240 Einwohner zählende Dorf Júzcar hat eine weltweit einzigartige Geschichte, die im Jahr 2011 begann. Damals diente der malerische andalusische Ort als Kulisse für den Animationsfilm "Die Schlümpfe". Die US-amerikanische Filmcrew machte aus dem Dorf mit rund 9.000 Litern blauer Farbe eine authentische Wohnstätte für die Schlümpfe. Ursprünglich war diese Verwandlung nur für begrenzte Zeit gedacht. Doch nachdem sich die blauen Fassaden als Attraktion erwiesen hatten, spürte kein Einwohner mehr Ambitionen, zum ursprünglichen Weiß zurückzukehren. Zudem hatte man sich an die Farbe gewöhnt. Man blieb beim Schlumpfblau und genießt seither die Berühmtheit des Ortes, der zahlreiche Besucher anlockt.
Ich schlumpfe einen Kaffee in einer Schlumpfbar und find es echt schlumpfig! 😂
Eigentlich wollte ich ja der Idee meines Bruders folgen und durch die Meerenge von Gibraltar nach Marokko mit dem Schiff fahren. Nur bedauerlicherweise liegt mein Reisepass (ACHTUNG, Spoiler-Alarm) fein säuberlich bei den Dokumenten für das nächste Abenteuer, das außerhalb Europas geplant ist… ich berichte in Bälde 😉
Gut, wenn ich die EU nicht verlassen darf, fahre ich halt nach ENGLAND 🇬🇧 denn ich muss über die Grenze, da Gibraltar englisches Hoheitsgebiet ist.
Schon von Weitem ist der Kreidefelsen in der Bucht von Algeciras gut zu sehen, der als eine der Säulen von Herakles bekannt ist. Laut griechischer Mythologie sollte Herkules als zehnte Aufgabe der berühmten zwölf Taten des Herakles weit im Westen die Rinderherde des Riesen Geryon rauben. Dafür hätte er den Berg Atlas überqueren müssen, den er aber dank seiner übermenschlichen Kraft einfach in der Mitte durchschlug. So entstanden die Straße von Gibraltar als Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer sowie die zwei „Säulen“: der Felsen von Gibraltar auf der europäischen Seite und der Berg Dschebel Musa auf marokkanischer Seite.
Es ist hier irgendwie britisch und auch wieder nicht, schwer zu beschreiben. Die Wache stackst schwitzend in einem unnatürlichen Stechschritt und ich frage mich, was der arme Soldat wohl im Sommer erst macht 🥵
Ich fahre mit der Seilbahn auf den Felsen hinauf, wo die einzige Population an wilden Berber Affen in Europa lebt. Hinweisschilder überall, man solle sich vor den Biestern in Acht nehmen! Sie klauen, reißen einem Dinge aus der Hand und öffnen Taschen. Kann MIR natürlich nicht passieren 😋 so schnell konnte ich nicht „Affenkacke“ sagen, kommt so ein Biest angaloppiert und versucht mir, meine Tasche aus der Hand zu reißen! Ich konnte unter lautem Geschrei meine Tasche zwar verteidigen, aber den essbare Inhalt hat sich der Affenarsch unter den Nagel gerissen 🐒 🤣 Der Rest der Bilder spricht für sich… Afrika zum Greifen nah!
Ich verlasse die Inselaffen und fahre zum Etappenziel für heute - Tarifa, der südlichste Ort Europas. Ein Hotel in arabischem Stil direkt am Strand mit Blick nach Afrika erwartet mich. Besondere Orte brauchen auch besondere Unterkünfte… Ich mache es mir auf meiner Terrasse mit einem Glas Wein gemütlich, am Strand galoppieren zwei Pferde in den Sonnenuntergang, mein Kurztrip durch Andalusien könnte schöner nicht sein und ich bereue keine Sekunde!
Jerez de la Frontera
Die Sonne geht auf zwischen Afrika und Europa. Mein Strandbungalow steht nur einen Steinwurf vom Meer entfernt und das erste, was ich früh morgens höre und sehe sind Meeresrauschen und Wellen. Man MUSS dann einfach gute Laune haben 🤩 also bei mir jedenfalls funktioniert das! Ich frühstück, checke aus und bin schon wieder unterwegs. Bevor ich die vorletzte Etappe antrete, möchte ich noch auf dem südlichsten Punkt Europas stehen. Und nicht nur das, hier werden zwei Meere nur durch eine schmale Strasse voneinander getrennt! Ich stehe zwischen dem Mittelmeer und dem Atlantik. Das Mittelmeer ist ruhig und glatt wie gebügelt, der Atlantik rauh und windig. Es ist, wie wenn eine unsichtbare Wand die beiden Meere voneinander trennt und ich schlüpfe von einer Welt in die andere.
Ich fahre weiter nach Conil, dann nach Cádiz, aber beide Orte sagen mir, ich soll weiter fahren. Die Playlist spielt „somebody I used to know“. Ich halte am Straßenrand und beobachte einen Vaquero - übersetzen wir es mit „andalusischer Cowboy“ - bei der Arbeit. Ihm könnte ich stundenlang zusehen: Er reitet sein Land ab, schaut nach der Rinderherde und scheint ein eigenständiges Universum zu sein. Er scheint keinen Stress zu kennen und ich bin nicht sicher, ob er weiß, was ein AUTO ist, so wirkt die Szenerie auf mich.
Ich reiße mich los und lande schließlich in Jerez de la Frontera… und weiß immer noch nicht, wo ich heute nacht schlafen werde. Ich suche die spanische Hofreitschule - und komme um 14:00 Uhr grade rechtzeitig zum Schließen 🤨 Gut, Programm für morgen steht also fest…
Keine 300 Meter von der Hofreitschule entfernt entdeckt TripAdvisor für mich ein historisches Hotel mit Parkplatz und SPA - genau was ich JETZT brauche, denn ich komme langsam an meine Grenzen. Ich möchte noch so vieles sehen, aber mein Körper sagt, er braucht langsam Pause 😣 Ich checke ein, reiße mich zusammen und laufe erneut los, mir Jerez anzusehen. Es ist mittlerweile 18 Uhr und ich habe Hunger! In Andalusien eine völlige UNZEIT, um etwas zu Essen zu bekommen. Eigentlich hat nachmittag fast kein einziges Geschäft geöffnet. Man hält hier stur an der Siesta fest, egal ob Touristen verhungern oder nicht 🥴 Kein Restaurant öffnet hier vor 20:00 Uhr. Ich nehme an, dies ist den sommerlichen Temperaturen geschuldet. Kein Mensch möchte bei über 40 Grad im Schatten arbeiten, Geschäft geht auch keines bei den Temperaturen und man behält dies einfach ganzjährig bei. Die Läden schließen Mittag und machen erst am späten Nachmittag oder Abend wieder auf. Ich ergattere ein Bocadillo mit Serano Schinken und gehe Richtung Hotel - ich bin platt 😵
Ich traue meinen Ohren nicht: Fiddlers Green schallt mir entgegen! Direkt gegenüber meines Hotels hat eben ein IRISH PUB seine Pforten geöffnet… yeaahh 😜🍺
Da renne ich quer durch Jerez, hungernd und durstend, und eine Wahnsinns Kneipe wartet direkt ums Eck auf mich 🥃🍻🍹 Ich gönne mir ein schnelles Guinness, aber auch das kann mich von Badewanne und Bett nicht mehr abhalten Morgen mehr…
Andalusische Hofreitschule und Rückkehr nach Sevilla
Ich stehe vor der Fundacion Real Escuela Andaluza del Arte Ecuestre 🎠 in Jerez - viel zu früh 🙄
Es gibt im Spanischen keine zusammengesetzten Namenwörter, sondern sie werden durch einem Genitiv ausgedrückt. Unser „Donaudampfsschifffahrtsgesellschaftskapitän“ würde auf spanisch übersetzt eine viertel DIN A 4 Seite füllen 😄
Ein Kölsche Jek, der mich ganz offensichtlich für eine Spanierin hält, spricht mich in gebrochenem Deutsch unter Zuhilfenahme seiner wild gestikulierenden Hände und seiner eifrig mit dem Kopf nickenden Frau an, damit ich ihn BESSER verstehen kann. Ich kontere ebenso in gebrochenem Deutsch, fuchtle mit den Händen und erkläre, ich stehe hier auch zum 1. mal und er könne ruhig in vernünftigen Deutsch mit mir kommunizieren. Wir lachen beide 😂 und warten geduldig, bis die gewaltige Pforte sich wie von Geisterhand öffnet.
Pferde und Flamenco gehören zu Andalusien wie die Weißwurst und das Dirndl zu Bayern. Das was ich hier sehe ist weitaus mehr als „reiten“. Es ist ein Lebensgefühl und Teil der täglichen Arbeit, die typisch für Andalusien ist.
Man unterscheidet die klassische Dressur-Reitweise der hohen Schule und die Doma Vaquera. Letzteres ist in Deutschland geläufiger als das „Reining“ der Westernreiter, also die Kunst, mit Rinderherden vom Pferd aus zu arbeiten.
Die Dressurpferde „tanzen“ zu klassischer Musik und die Doma Vaqueras werden von andalusischen Flamenco Rhythmen begleitet.
Für die beiden Reitweisen nutzt man hier unterschiedliche Pferde. Die P.R.E. (Pura Raza Española) ist das ideale Pferd für diese anmutige und kraftvolle Dressur. Die Arbeitspferde hingegen sind „geplante Mischlinge“ aus P.R.E. und Arabern oder anderen Vollblütern, welche nicht weniger edel und wertvoll sind, nur eben feingliedriger, wendiger und nervöser.
Den Pferden in der vom König 👑 finanzierten Hofreitschule spiegeln den Stolz ihrer Reiter wieder und es geht ihnen dabei bestens. Ich kann die Meinung mancher Pferdeliebhaber NICHT teilen, dass den Tieren hier Zwang angetan wird. Ich selbst bin lange Jahre geritten und weiß, dass Pferde durchaus Spaß an der Arbeit haben können.
Schlittenhunde ziehen ja auch freiwillig einen Schlitten und Jagdhunde haben Spaß daran, Wild aufzuspüren. Es sind domestizierte Tiere!
Hingegen Tiger durch Feuerreifen springen zu lassen ist etwas ganz anderes...
Jedem Tierchen sein Pläsierchen 🐎🦮
Ich verlasse die Pferde, mache mich auf zur letzten Etappe der Strecke, die Fahrt nach Sevilla und den Flug nach Hause 😍
Ich bin in 6 Tagen 1600 km geflogen, etwas mehr als 1000 km gefahren, 62 km gelaufen und habe 9 Städte und das Schlumpfdorf gesehen. Für manch einen ein utopischer Marathon, für mich die perfekte Art, frischen Wind durch mein Hirn zu blasen 🌬🧠💨 und Abstand zu Festgefahrenem zu bekommen.
Die Zeit mit mir alleine war nicht eine Sekunde trostlos, langweilig oder gar einsam 😊 Ich habe rausgefunden, dass ich mir auf solchen Kurzreisen selbst genug bin. Eine wertvolle Erfahrung, denn ich war mir nicht sicher 😬
Wichtig war mir aber, das Erlebte mit euch zu teilen! Es hat mir großen Spaß gemacht, täglich mein Erlebtes aufzuarbeiten, niederzuschreiben und euch dadurch mit dabei zu haben. 
Ich geh mich jetzt mal kurz erholen, aber ihr könnt schon seeehr bald wieder mit mir auf Reisen gehen 🤫😉
Gehabt euch wohl bis dahin 😘
Comentários